Forderungskatalog Klima und Umwelt

Beschlossen von der Landes-ASten-Konferenz am 10.01.2021.

Sowohl als Einrichtungen des Landes mit dem größten Energieverbrauch als auch als Institutionen, die mit Forschung und Lehre bemerkenswerte Möglichkeiten in der Gestaltung der Gesellschaft haben, müssen die Hochschulen dazu beitragen, die Klimakrise zu meistern. Deshalb wendet sich die Landesstudierendenvertretung mit diesem Forderungspapier an die baden-württembergische Landesregierung.

Bezogen auf alle Aspekte sollten Evaluierungsprozesse institutionalisiert sein, um eine Weiterentwicklung zu einer nachhaltigen Gesellschaft möglich zu machen. Da nur sehr begrenzt Zeit zur Verfügung steht, ist es notwendig, Maßnahmen, die der nachhaltigen Entwicklung an Hochschulen dienen, allen Akteur*innen ohne bürokratische Hindernisse zu ermöglichen. Nur so kann hier ein effizient konstruktives Zusammenspiel möglich sein.

1.    Governance

a.     Nachhaltigkeit als strategisches Thema

Die Hochschulen sollten Nachhaltigkeit in ihre Leitbilder und Forschungsausrichtungen aufnehmen, um dem Thema eine strategische Bedeutung in der Ausrichtung der Hochschule und deren Forschungsaktivitäten einzuräumen. Hierfür sind die Erfordernisse gemäß § 7 Absatz 1 Landeshochschulgesetz (LHG) neu[1] in Verbindung mit § 2 Absatz 5 Satz 3 LHG neu[2] sowie Kapitel II Nummer 2 Absatz 2 Hochschulfinanzierungsvereinbarung II (HoFVII)[3] nicht hinreichend.

b.    Konkrete Klimaschutzziele

Die für die Hochschulen gemäß HoFVII selbst zu steckenden Ziele müssen kompatibel mit dem XDC-Modell und Zielwert 1,5° C sein[4].

c.     Finanzielle Mittel für die Verwirklichung von Maßnahmen

Das Erreichen von Klimaneutralität stellt für die Hochschulen auch eine finanzielle Herausforderung dar. Den Hochschulen und Studierendenwerken muss vom Land ein Haushaltstitel bereitgestellt werden mit finanziellen Mitteln für die Umsetzung von Maßnahmen, die zum Erreichen der Klimaneutralität führen. Dies soll verhindern, dass durch die Umsetzung der Maßnahmen die Institutionen selbst, also deren Grundfinanzierung, sowie die Studierenden Mehrbelastungen erfahren.

2.    Betrieb

a. Senatsausschuss Nachhaltigkeit

In allen Hochschulen soll ein Senatsausschuss “Nachhaltigkeit” gebildet werden. Darin müssen alle Statusgruppen der Hochschulen als Mitglieder vertreten sein. Der Ausschuss dient der Entwicklung von Nachhaltigkeitszielen und -maßnahmen sowie Evaluation derselben. Der Ausschuss soll regelmäßig hochschulöffentlich tagen und auch insbesondere Nicht-Mitgliedern soll dabei Mitarbeit hürdenarm ermöglicht werden, denn jede*r sollte willkommen sein, eigene Ideen einzubringen und sich kritisch zu aktuellen und geplanten Maßnahmen zu äußern.

b.    Verwaltung (Hochschulen & Studierendenwerke)

Um Nachhaltigkeit strukturell zu verankern, sollen an allen Hochschulen Stellen für Nachhaltigkeitsbeauftragte geschaffen werden. Der Gesamtressourcenverbrauch und die Emissionen der Hochschulen werden durch diese Stellen erfasst und in Zusammenarbeit mit dem zu bildenden Senatsausschuss Nachhaltigkeit werden selbst gesetzte Nachhaltigkeitsziele evaluiert und weitere Ziele entwickelt.

Zusätzlich soll jede Hochschule ein Green Office etablieren und dafür Mittel zur Verfügung gestellt bekommen. Das “Green Office”-Modell[5] ist ein bewährtes Konzept, um Nachhaltigkeit ganzheitlich in den Strukturen von Hochschulen zu verankern und einen gemeinsamen Raum zur Vernetzung von Akteur*innen und zur Koordination von Nachhaltigkeitsaktivitäten zu schaffen. Es soll nicht die Aufgaben der Nachhaltigkeitsbeauftragten und des Senatsausschusses (siehe Abschnitt Senatsausschuss Nachhaltigkeit) übernehmen (wie Strategieentwicklung), sondern ein Modell sein, um Projekte konkret umzusetzen. Das Green Office soll aus Vollzeitmitarbeiter*innen und studentischen Hilfskräfte zusammengesetzt und ans Rektorat bzw. das Präsidium angegliedert sein. Die Einbeziehung der Studierenden ist essenziell, um Nachhaltigkeit ganzheitlich voranzubringen. Die Hochschulen sollen Mittel bereitstellen, um Nachhaltigkeitsprojekte des Green Office zu finanzieren.

Des Weiteren sollen alle Hochschulen jährliche Nachhaltigkeitsberichte erstellen, um ihren Beitrag zum Klimaschutz zu evaluieren, zu verbessern und damit auf Dauer Kosten, Ressourcen (und Emissionen) einzusparen. Diese Berichte sollen durch geeignete Umweltmanagementsysteme integriert werden – alle Hochschulen müssen mindestens die EMAS-Kriterien einhalten[6].

Außerdem bedarf es eines nachhaltigen Beschaffungswesens. Bei Anschaffungen muss auf Nachhaltigkeitskriterien geachtet werden (z.B. Umweltsiegel) und der Verbrauch von Ressourcen (wie Strom und Wasser) sowie von Sachgütern (wie Maschinen und PCs) und Infrastruktur wird reduziert und stattdessen Wert gelegt auf Wiederverwendung, Instandhaltung, Recycling, Langlebigkeit und Reparierbarkeit. Alle Neuanschaffungen müssen kompatibel sein mit den Zielsetzungen der Hochschulen zum Klimaschutz. Jeglicher Abfall muss nachhaltig entsorgt werden (nachvollziehbar und umweltgerecht). Des Weiteren soll bei Beschaffungen Gebrauchtware bevorzugt werden, wenn diese für den vorgesehenen Verwendungszweck gleichwertig ist, um möglichst geringe Umweltbelastungen zu verursachen.

Nachhaltige Mobilität soll an den Hochschulen attraktiver gemacht werden. Vom Ausbau der Fahrradinfrastruktur über Anreize zur Nutzung des ÖPNV bis zur maximalen Reduktion klimaschädlichen Individualverkehrs sollen sich die Hochschulen einsetzen für eine Umstellung auf klimafreundliche Mobilitätsformen – diese sollen von allen Personen genutzt werden, die mit der Institution in Verbindung stehen, sowohl im Alltag als auch für Reisen. Für Dienstreisen und Exkursionen sollen regionale Ziele attraktiver gemacht werden, um Anreisen zu verkürzen. Außerdem sind für globalen Austausch z.B. Videokonferenzen gegenüber Reisen vorzuziehen, wenn physische Präsenz verzichtbar ist. Kommen für Dienstreisen oder Exkursionen klimaverträgliche Verkehrsmittel infrage, ist in jedem Fall auf Flugreisen und die Nutzung von Automobilen zu verzichten.

c.     Gebäude und Energie

Die im Hochschulbau und im Betrieb dieser Liegenschaften aufgewendete Energie verursacht mitunter den größten Emissionsposten im Hochschulbereich. Allerdings gibt es im Bereich der Gebäude und Liegenschaften Zuständigkeitskonflikte, die eine Bearbeitung des Problems aus einem Guss schwierig gestalten. So gehören die meisten Hochschulgebäude dem Finanzministerium und werden dort vom Landesbetrieb Vermögen und Bau verwaltet. Die Hochschulen unter der Rechtsaufsicht des Wissenschaftsministeriums sind hier lediglich Nutzerinnen und haben somit begrenzten Einfluss auf die Bausubstanz selbst, entrichten teilweise jedoch die Betriebskosten aus dem eigenen Haushalt. Somit ist es schwierig Investitionen in Bau und Betrieb, die etwa auf die Einsparung von Energie ausgelegt sind, zu refinanzieren. Hier braucht es eine engere Zusammenarbeit dieser beiden Ministerien und neue Finanzierungskonzepte für Sanierungsmaßnahmen.

Bei den Neubaustandards der Gebäude muss die Landesbauordnung insoweit angepasst werden, dass die relevante Metrik, nämlich Lebenszyklusemissionen pro Nutzer*in inklusive Malus bei grauer Energie im Falle des Rückbaus minimiert wird. Hierbei sind insbesondere niedrige Energiestandards, idealerweise Plus-Energie-Haus-Standard, als auch alternative Baumaterialien zu berücksichtigen.

Im Bereich des Energieverbrauchs gibt es eine Abstufung von Zielen nach ihrer Priorität. Das erste Ziel ist Suffizienz (die Reduktion des Energiebedarfs). Danach muss in der folgenden Reihenfolge auf die Ziele Effizienz (Reduktion von Energieverlusten), Eigenproduktion (Ausschöpfung des Potentials für die Eigenproduktion erneuerbarer Energien) und zuletzt auf den Einkauf erneuerbarer Energie gesetzt werden. Bei der eingekauften erneuerbaren Energie muss darauf geachtet werden, dass die Vergütung dieser den Neuanlagenbau innerhalb Deutschlands finanziert und somit die Energiewende vorantreibt.

d.      Freiflächen und Grünflächen

Grünflächen sollen, wo möglich, so gestaltet werden, dass sie zu Naturschutz und Artenerhaltung, insbesondere bei Insekten, beitragen. Möglichst viele Flächen sollen ein insektenfreundliches Mähregime bekommen. Diese Flächen können zur Umweltbildung genutzt werden. Zusätzliche Flächenversiegelungen sollen vermieden werden oder real kompensiert werden.

3.    Forschung und Lehre

Hochschulen spielen als Forschungs- und Bildungseinrichtungen eine entscheidende Rolle für die nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft. Durch neues Wissen einerseits und durch Vermittlung dieses Wissens und der Kompetenzen an Studierende andererseits sind die Hochschulen in einer entscheidenden Position und können wichtige Impulse für nachhaltige Entwicklung setzen.

a. Forschung

Durch Förderung von Forschung mit Nachhaltigkeitsbezug werden Anreize geschaffen, Forschung voranzutreiben, die das Erreichen der 17 UN-Ziele zur Nachhaltigen Entwicklung[7] unterstützt. Die Erkenntnisse müssen öffentlich und frei zur Verfügung stehen.

Um Forschung an und mit der Zivilgesellschaft zu betreiben sind Reallabore ein wichtiges Instrument, welches direkt auf Transformationsprozesse abzielt. Dieses sollte weiter ausgebaut und mit mehr finanziellen Mitteln unterstützt werden.

b.    Lehre

Zu den Zielen des Studiums sollte nicht nur die fachliche Ausbildung gehören. Um den aktuellen Herausforderungen der Gesellschaft gerecht zu werden, werden Kompetenzen zur aktiven Mitgestaltung einer nachhaltigen Gesellschaft und zur interdisziplinären Zusammenarbeit benötigt. Hierfür müssen entsprechende Bildungsangebote flächendeckend bereitgestellt und in alle Curricula auch als verpflichtende Module integriert werden. Darüber hinaus sollten Räume geschaffen werden, um die Bedeutung und die Auswirkungen der eigenen Fachdisziplin auf die Gesellschaft und die Natur zu reflektieren und zu diskutieren.

Studentisches Engagement nach dem Konzept Bildung für Nachhaltige Entwicklung soll vom Land unterstützt werden, denn Lernen findet auch außerhalb der Curricula statt. Ein wichtiger Bestandteil nachhaltiger Bildung ist themenbezogenes Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen. Neben den Hochschulen soll auch das Land dieses Engagement fördern.

c.    Schaffung/Stärkung von Professuren

Um nachhaltige Lehrveranstaltungen in allen Studiengängen (siehe Abschnitt Lehre) zu ermöglichen, sollen entsprechende Professuren neu geschaffen oder gestärkt werden. Weitere Stellen müssen geschaffen werden, damit neue Lehrveranstaltungen und Abschlussarbeiten mit diesem thematischen Fokus angeboten bzw. betreut werden können.

4.    Studierendenwerke

Zum Erreichen der Klimaneutralität müssen neben den Hochschulen auch die Studierendenwerke einbezogen werden. Die Aspekte des nachhaltigen Beschaffungswesens und der nachhaltigen Mobilität aus Abschnitt Verwaltung (Hochschulen & Studierendenwerke) gelten explizit auch für Studierendenwerke.

a. Mensen

Die Verpflegung in den Mensen ist dabei ein entscheidender Aspekt. Hier muss eine Umstellung von klimaschädlichen hin zu nachhaltigen Gerichten stattfinden. Die Verantwortung kann nicht nur bei den Konsument*innen liegen – nachhaltige Gerichte müssen günstiger angeboten werden als klimaschädliche. Die nachhaltige Verpflegung in den Mensen muss hierfür höher bezuschusst werden im Vergleich zur nicht nachhaltigen, die Kriterien hierfür sind: biologisch, regional, saisonal, vegetarisch und vegan. Dazu muss eine CO2e-Bilanz[8] erstellt werden. Diese soll transparent an den Gerichten ausgewiesen werden.

Mensen sollen ermutigt werden, nicht verkauftes Essen nicht zu entsorgen, sondern Vortags-Mahlzeiten kostengünstig anzubieten. Die Studierendenwerke sollen Kooperationen mit Initiativen eingehen, welche Lebensmittel retten. Versorgungskapazitäten sollen effizient geplant werden, sodass keine Lebensmittel wegen Überproduktion entsorgt werden müssen.

b.    Wohnen

Studierendenwerke verursachen durch die Bereitstellung von Wohnraum für Studierende Emissionen. Bei eigenen Wohnraumentwicklungen durch Studierendenwerke soll dieselbe Metrik wie in Abschnitt Gebäude und Energie beachtet werden. Jedoch gibt es auch hier, wie bei Hochschulgebäuden, Zuständigkeitsprobleme, da viele der Wohnungen nicht den Studierendenwerken selbst gehören. Hier sollen sich diese bei Kooperationspartner*innen für die obigen Ziele einsetzen.


[1] „Dabei orientieren sich die Hochschulen an ihren in § 2 festgelegten Aufgaben und an den im Rahmen von Vereinbarungen zwischen Land und Hochschulen festgelegten Zielen.“ (§ 7 Absatz 1 LHG neu)

[2] „Die Hochschulen tragen zum gesellschaftlichen Fortschritt bei. Dazu fördern sie im Rahmen ihrer Aufgaben unter anderem Innovation, Nachhaltigkeit und Tierschutz. Sie fördern durch Wissens-, Gestaltungs- und Tech­nologietransfer die Umsetzung und Nutzung der Ergebnisse der Forschung und Entwicklung in die Praxis sowie den freien Zugang zu wissenschaftlichen Informationen.“ (§ 2 Absatz 5 Satz 3 LHG neu)

[3] „Die Hochschulen erstellen im jeweils nächsten Struktur- und Entwicklungsplan ein eigenes Klimaschutzkapi­tel, in dem realisier- und messbare Ziele sowie verbindliche Maßnahmen zur CO2-Reduktion, insbesondere in den Handlungsfeldern Strom, Wärme und Verkehr, dargelegt werden. Die Ziele und Maßnahmen werden der hochschulöffentlichen Debatte zugänglich gemacht. Die Hochschulen erarbeiten gemeinsam mit dem Wissen­schaftsministerium ein Monitoring, um die Fortschritte bei der CO2-Reduktion verdeutlichen zu können. (Kapitel II Nummer 2 Absatz 2 HoFVII)

[4] right. based on science: Capturing the °Climate Factor Linking Temperature Alignment and Financial Performance through the X-Degree Compatibility (XDC) Model; https://uploads-ssl.webflow.com/5ddbd8f4d31f0fb0ad6f12fd/5f99aecef133db41b07e5934_Whitepaper_right_FINAL.pdf

[5] Green Office Movement: Green Office Modell; https://www.greenofficemovement.org/de/

[6] EMAS: Eco Management and Audit Scheme; https://www.emas.de/emas-anwenden

[7] 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung; https://17ziele.de/

[8] CO2e-Bilanz: CO2-Äquivalente-Bilanz: CO₂-Äquivalente (CO₂e) sind eine Maßeinheit zur Vereinheitlichung der Klimawirkung der unterschiedlichen Treibhausgase; https://www.myclimate.org/de/informieren/faq/faq-detail/was-sind-co2-aequivalente/

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